Sonntag, Juli 17, 2016

The Secret Platform below the Waldorf Astoria Hotel





Schon mit den Büchern von Enid Blyton wurde uns früher eine Faszination für Orte eingeimpft, die nicht jedem bekannt und zugänglich waren. In den Romanen über die Fünf Freunde waren Geheimgänge nahezu obligatorisch. 

Und diese Faszination ist bei mir immer wieder dann aufgeglimmt, wenn ich in den letzten Jahren bei Recherchen zu ganz anderen Themen einen Hinweis auf den "Geheimen Bahnsteig des Waldorf Astoria Hotels in New York City" gelesen habe. 


Byron Company, New York skyline looking south-east form 515 Madison Avenue, 1937, from the collection of the museum of the city of New York


Ganz so wild ist das natürlich nicht mit diesem Bahnsteig, geheim dürfte in diesem Fall wohl eher für öffentlich nicht zugänglich stehen, aber das damit verbundene Marketing und die geheimnisumwitterte Aura steht dem Ganzen natürlich gut. 

Dieses Thema steht schon einige Jahre auf meiner to do-Liste, heute will ich mal schauen, was sich darüber herausfinden lässt. Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf das Waldorf-Astoria Hotel. Das ist für sich ja schon so bekannt, dass es einem Großteil der Menschen in der westlichen Hemisphäre ein Begriff sein dürfte. 



Angefangen hat der ganze "Waldorf-Astoria"-Kult mit diesem Hotelgebäude, das 1893 in Manhattan in Betrieb genommen wurde, auf der Nordwestecke der Kreuzung Fifth Avenue / 33rd Street. Das 13-stöckige Luxushotel "The Waldorf" wurde auf Veranlassung von William Waldorf Astor errichtet, auf dem Grundstück, auf dem zuvor eine Residenz der Familie Astor an der Fifth Avenue gestanden hatte.









Hier schauen wir vom Norden her die Fifth Avenue hinunter auf die weniger schmucke Nordfassade und auf das rechts gelegene Nachbargrundstück, ebenfalls der Familie Astor zugehörig, auf dem sich bald "Großes" tun wird. 



ZACK! 1897 setzt Cousin John Jacob Astor IV direkt nördlich neben "The Waldorf" das größere und vier Stockwerke höhere "The Astoria" hin. Was vier Stockwerke schon ausmachen können, das "Waldorf" sieht neben dem "Astoria" ganz schön klein aus:


Die Kombination des alten Waldorf Hotels mit dem neuen riesigen Astoria-Flügel ergab das bis heute bekannte "Waldorf Astoria"-Hotel. Ehrlich gesagt, habe ich aus den Quellen (Wikipedia, nyc-architecture) nicht eindeutig herauslesen können, wann die Zusammenlegung stattgefunden hat. Manchmal entstand der Eindruck, dass das Astoria zunächst ein Konkurrenzbetrieb war, andernorts ist die Wahrnehmung so, dass bereits mit der Astoria-Eröffnung im November 1897 beide Häuser von derselben Hand geführt wurden. 

Die Karte aus dem Bromley-Stadtatlas von 1897 nennt den neuen Hotelkomplex interessanterweise unter dem Namen "The Waldorf Hotel", von Astoria ist hier gar keine Rede.




In der nächsten Neuauflage des Stadtatlases von 1902 ist der Name dann auf Waldorf-Astoria abgeändert. 




Für nahezu die gesamten folgenden drei Jahrzehnte sollte sich das nicht mehr ändern, das Waldorf-Astoria war eine "der" Adressen für stinkreiche Gäste in New York City. Ich kann natürlich nicht widerstehen, in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf das Luftbild von 1924 zu werfen:



Links sehen wir die nahe gelegene und ebenfalls verschwundene Pennsylvania-Station von 1910 und rechts an der Fifth Avenue zwischen 33rd und 34th Street noch das Waldorf-Astoria-Hotel. 



NOCH! Kenner der Materie wissen natürlich, was 1929 geschehen ist. Wie schon so viele andere Gebäude in Manhattan, die Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden waren, so musste auch das alte Waldorf-Astoria einem kühnen Bauvorhaben weichen und wurde Ende der 1920er abgerissen. 





Danach entstand an seiner Stelle in rekordverdächtiger Zeit von weniger als zwei Jahren von 1930-1931 nichts anderes als das höchste Gebäude der Welt und das sollte für die nächsten 40 Jahre auch so bleiben.


März 1930

May 1930

Juli 1930

September 1930

Oktober 1930

November 1930


Die Geschichte des Waldorf-Astoria-Hotels ist mit der Schließung am 03. Mai 1929, dem danach folgenden Abriss und dem Bau des Empire State Buildings aber natürlich noch nicht beendet. Stattdessen ging sie natürlich weiter mit einem Neustart einige Straßen weiter nordöstlich vom bisherigen Standort. 

Hier sehen wir nochmal das Luftbild von 1924. Als zusätzliche Orientierungspunkte sind die zwei großen Bahnhöfe in Manhattan eingezeichnet, unten links die Pennsylvania Station an der Ecke 7th Avenue / 33rd Street und rechts oben das Grand Central Terminal an der 42nd Street / Park Avenue. Außerdem der Standort des alten Waldorf-Astoria-Hotels (A) an der 5th Avenue zwischen 33rd und 34th Street und der des Neubaus an der Park Avenue zwischen 49th und 50th Street (N). 



Mal einen Blick auf den neuen Standort werfen:


Aha - interessant. Sieht so aus, als ob dort 1924 auch schon was größeres stand, das mit zwei Schornsteinen ausgestattet war. So interessant war es aber wohl nicht für Photographen, weshalb das, was auf dem Straßenblock vor dem neuen Waldorf-Astoria stand, immer eher beiläufig mitfotografiert worden ist. 

1919 gab es noch keine Schornsteine, wie man sieht. Motiv war die Kirche im Vordergrund, St. Bartholomäus auf dem Block zwischen 51st und 50th Street, die Hallen rechts daneben stehen dort, wo Anfang der Dreißiger das neue Waldorf-Astoria gebaut wurde. 

Irving Underhill, St. Bartholomews, 1919, from the collection of the museum of the city of New York


Mitte der 1920er sieht es schon Anfang aus, in der Zwischenzeit wurde auf dem Grundstück neben der Kirche ein Kraftwerk errichtet und zu dem gehören die beiden Schornsteine, die auf dem Luftbild von 1924 auffielen. 

Park Avenue and 50th Street, St Bartholomews Protestant Episcopal Church, ca 1926, from the collection of the museum of the city of New York


Mehr Licht ins Dunkel bringt der Stadtatlas von 1922, den ich an dieser Stelle aufschlagen möchte. 




Wenn man wieder etwas zurückzoomt, wird außerdem noch klar, dass unterhalb der Gebäude jede Menge Gleise des Grand Central Terminals zusammenlaufen, die auf den südlicher gelegenen Straßenblöcken noch nicht durch Bebauung abgedeckt sind. 


Auf dieser Aufnahme von 1906 sieht man den noch weitestgehend offenen Gleiskörper südlich der 48th Street auf dem Weg zum Grand Central Terminal. Später, als die Züge elektrifiziert worden waren, konnten die Gleise unter den Gebäuden an der Park Avenue verschwinden. 



Zum Glück gibt es ja auch noch die Nerds von der Columbia Universität und die sieht immer dann gut, wenn man Bilder von Orten braucht, von denen irgendwie keine Bilder verfügbar sind. Hier haben wir den gesamten Straßenblock zwischen 49th und 50th Street mit dem offenen Gleiskörper südlich und dem Stromkraftwerk in der Mitte, also einen Blick auf die komplette Vorgängerbebauung des Waldorf Astorias:


Dort findet sich auch noch eine leider undatierte Karte aus einem Bromley-Atlas, die ganz gut die städtebauliche Situation oberhalb des Grand Central Depots abbildet mit ihrer Mischung aus offenem Gleiskörper und teilweisen Bebauung: 



Dazu passt auch wunderbar diese auf 1920 (?) datierte Luftaufnahme, die in etwa das gleiche Szenario dokumentiert mit offenen und überbauten Gleiskörpern:




Einen Blick auf das Gelände von der Ostseite her bietet dieses Foto von 1929, dort ist das Kraftwerk ebenfalls gut zu erkennen. Das Kraftwerk diente zur Stromerzeugung für die Eisenbahn, ab 1929 bekam die Bahngesellschaft aber Strom und Dampf von Con Edison geliefert und das Kraftwerk wurde nicht mehr gebraucht. Das östlich gelegene Gebäude der Adams Express Company ist zum Zeitpunkt dieser Aufnahme bereits verschwunden.



Hier steht das Kraftwerk noch, die Arbeiten an den Fundamenten für das neue Waldorf-Astoria haben auf dem Ostteil des Straßenblocks aber bereits begonnen. Das Hotel wird wie die anderen Gebäude der Umgebung nicht auf Erdboden, sondern auf einem Stahlgerüst über dem Gleiskörper der Grand Central Station gebaut. 



Im März 1930 waren die Abrissarbeiten weitestgehend fortgeschritten und der Gleiskörper unter dem Grundstück liegt teilweise offen. Links jeweils die 49th Street. 





Und jetzt wollen wir mal schauen, wie dort langsam aber sicher ein weiterer Wolkenkratzerklassiker entsteht:









Während der Bauarbeiten entstand auch dieses berühmte Foto, auf dem die Stahlarbeiter den vollen Fünf-Sterne-Service des Waldorf-Astoria-Hotels in Anspruch nehmen dürfen:



Schon das alte Waldorf-Astoria war seinerzeit bei seiner Vereinigung das größte Hotel der Welt, daher konnte der Nachfolger ja nicht schlechter dastehen. Im Oktober 1931 wurde das neue Waldorf-Astoria-Hotel an der Park Avenue eröffnet und konnte direkt zwei Superlative für sich beanspruchen. Es war seinerzeit das größte Hotel auf der Welt und außerdem mit 190 Metern und 47 Geschossen auch noch das höchste Hotel auf der Welt. 




Waldorf-Astoria Hotel, Entrance detail, 1931, from the collection of the museum of the city of New York







Exterior of the Waldorf-Astoria, ca 1936, from the collection of the museum of the city of New York




So, nachdem wir jetzt sehr weit über die Geschichte des Waldorf-Astoria ausgeholt haben, kehren wir langsam zum eigentlichen Thema zurück, nämlich dem geheimen Bahnsteig des Hotels. 



Wir erinnern uns, das Grand Central Terminal, besser bekannt als Grand Central Station, ist seit dem Um- bzw. Neubau und dessen Eröffnung 1913 bis heute der größte Bahnhof der Welt, bezogen auf die Anzahl der Gleise. 

Der Bahnhof verfügt über 44 Bahnsteige, an denen 67 Gleise enden und das auf zwei Etagen. Auf der oberen Ebene enden 44 Gleise, auf der unteren 26 Gleise. Die Superlativen haben aber auch einen Preis. Das Bahnhofsgebäude ist bekanntermaßen spektakulär und weiß mit großzügigen Räumen zu gefallen. Die Bahnsteige sind dagegen bedrückend eng und haben mich eher an Sardinenbüchsen erinnert. 







Das folgende Bild zeigt die Gleisanlage der Grand Central Station. Süden ist links, Norden rechts. 


Links grenzen die südlichsten Loops an die 42nd Street, die Anlage befindet sich zwischen der Madison Avenue im Westen und der Lexington Avenue im Osten. Die nördlichste abgebildete Straße ist die 58th Street. Die Park Avenue verläuft in der Mitte des Bildes (Orientierung links außen) und der abgebildete Gleiskörper verläuft heute unterirdisch bzw. unter städtischer Bebauung. 


google earth


Wir erinnern uns, der Neubau des Waldorf Astoria Hotels wurde mit Unterstützung eines Stahlgerüsts über dem Gleiskörper des Grand Central Terminals errichtet. Das ermöglichte die Einrichtung eines hoteleigenen Bahnsteig, es war nicht nötig, ein Gleis irgendwie unterirdisch zum Hotel hin zu verlegen, sondern das Hotel war aufgrund seines Neubaus quasi zur Bahnanlage gekommen. 

Tatsächlich beruhte es auf einer glücklichen Fügung, dass das Hotel einen eigenen Bahnsteig erhielt und der liegt in der Vergangenheit des Grundstücks. Es gab nämlich bereits zuvor zwei Bahnsteige im Untergrund, einen für das Powerhouse, also das Stromkraftwerk und einen für Adams Express, eine Firma, die im Osten des Straßenblocks residierte. Da die Grundlagen also bereits vorhanden waren, war es ein leichtes, einen Bahnsteig in den Gebäudekomplex des Hotels zu integrieren.

Hier sehen wir nochmal eine alternative Karte vom unterirdischen Gleiskörper, am rechten Bildrand kann jeweils die Straßen ablesen, die oberhalb verlaufen. 



Und wenn man etwas genauer auf den Bereich zwischen 50th und 49th Street schaut, kann man dort bereits den Namen "Waldorf-Astoria" erspähen. Es geht aber auch größer:


Ich habe mir erlaubt, zum einen den Hinweis auf das Hotel Waldorf Astoria farbig hervorzuheben und außerdem Track 61 (Gleis 61), jenes berühmt-berüchtigte Gleis unter den 67 Gleisen des Grand Central Terminals, das bis unter das Waldorf Astoria führt:


Auf diesem Gleis ist einiges an U.S.-Prominenz bis zum Keller des Waldorf-Astoria gefahren worden, darunter General Pershing (1938) oder President Roosevelt (1944). Hier zwei historische Aufnahmen, die im Bereich des "Geheimen Bahnsteigs" entstanden sind:





Der spezielle Waggon mit dem Roosevelt damals eingetroffen war, steht heute noch im Untergrund des Hotels, weil der Präsident 1945 verstorben war und den Bahnwaggon bis dahin nicht mehr genutzt hatte und danach erst recht nicht. 

Später wurde die Location in den 1960ern für Filmaufnahmen genutzt und noch später feierte Andy Warhol dort eine Underground-Party im wahrsten Wortsinn.

Und damit springen wir in die Gegenwart und schauen mal, wie es heute dort unten am Track 61 aussieht.










Hier sehen wir auch den Zugang zum Aufzug wieder, der bereits auf einer der beiden historischen Aufnahmen zu erkennen war: 





Neben dem Aufzug gab und gibt es auch noch einen banalen Zugang zum Bahnsteig im Unteruntergeschoss des Hotels über eine Treppe. 



Zum Abschluss eine alternative Bilderserie, die ebenfalls dort unten auf dem Geheimen Bahnsteig des Waldorf-Astoria-Hotels entstanden ist. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.












Links:


Bonustrack



Ich habe es vor einigen Jahren schon einmal erwähnt, aber es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, diese Info jetzt nochmal aufzuwärmen. Die beiden Herren heißen bekanntermaßen Waldorf und Statler. 

Benannt sind sie nach zwei bekannten New Yorker Hotels, die bei ihrer Eröffnung jeweils das größte Hotel auf der Welt waren. 

Links Herr Waldorf nach dem Waldorf-Astoria (er hatte auch eine nie gezeigte Gattin mit dem Namen Astoria), rechts Herr Statler, benannt nach dem Hotel Statler-Hilton, das einst als Hotel Pennsylvania anfing und gegenwärtig auch wieder so heißt.



2 Kommentare:

  1. Das ist ja ein lustiger Zufall: Ich war bis gestern in NYC und auf dem Weg zur U-Bahn ist mir ein Gebäude aufgefallen, welches ich nicht kannte. Ich habe sogar ein Foto gemacht, um bei erfolgloser Suche fragen zu können. Jetzt bin ich zufällig über diesen Beitrag gestolpert und habe das Gebäude gleich in Form des Waldorf-Astoria wieder erkannt. Daran gefällt mir besonders, dass ich im Urlaub auch in Boldt Castle auf Heart Island war, welches vom Manager des alten Waldorf gebaut wurde. Ich bin mir zwar nicht mehr sicher, war aber immer der Meinung, dass ich Boldt Castle wiederrum auch aus diesem Blog kannte und im Urlaub zufällig zur Besichtigung gekommen bin, da es quasi an unserer Fahrtroute lag.
    An dieser Stelle nochmal danke für den tollen Blog! :-)

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    1. hallo Raphael, bedaure, das verneinen zu müssen, aber über "Boldt Castle" habe ich hier noch nicht geschrieben. Mir steht als Autor eine recht leistungsstarke bloginterne Suchmaschine zur Verfügung und die sagt: NEIN

      aber danke fürs Lob, das lese ich natürlich gerne

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